Die Geschichte des Königs der Tölpel, zitiert nach:
Abdruck aus "Videnskabelige Meddelelser fra den naturhistoriske Forening i København, 1894" Naturwissenschaftliche Mitteilungen der Naturkundlichen Gesellschaft in Kopenhagen, 1894.Diomeda melanophrys, boende på Færøerne.Af Knud Andersen.Vorgestellt am 23. November 1894.Herr P. F. Petersen von Nolsoy, Färöer, sandte mir im Mai 1894 die Nachricht, das auf Mykines Holm ein Albatross abgeschossen worden ist, der dort seit 30 Jahren unter den Tölpeln gelebt hat. Weitere Informationen, insbesondere über die vielen Jahre, in denen der Vogel hatte gesehen werden können, waren zu der Zeit Herrn P. F: Petersen nicht erhältlich. Anfang Juli bekam ich den Vogelkörper (zum Ansehen des Bildes bitte HIER anklicken). Es war ein Diomedea melanophrys, Boie, ein alter Vogel mit sehr schönem Gefieder. Er war, als ich ihn bekam noch sehr frisch und von Herrn Petersen perfekt präpariert. Später fand ich heraus, das die Eingeweide nicht aufbewahrt worden waren. Sobald ich den Vogel erhalten hatte, sandte ich Herrn Petersen einen Fragebogen mit dem Ziel, möglichst umfangreiche Informationen über das Leben des Vogels zu erhalten, besonders über die Gründe, warum man glaubt, das der Vogel über diese vielen Jahre auf Mykines Holm gelebt hätte. Die Antworten erreichten mich Anfang November, zusammen mit einem Brief von Herrn Petersen, der schrieb, er habe die Fragen nach Mykines weitergesandt, wo sie von Herrn S. J. Joensen beantwortet worden seien, der auf Mykines lebt. |
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Der ausgefüllte Fragebogen gab folgende Informationen: (Die Antworten Nr. 4 und Nr. 8 wurden von Herrn Petersen, Nolsoy beantwortet, der Rest von Herrn S. J. Joensen, Mykines) 1. An welchem Datum wurde der Albatross abgeschossen? Er wurde am 11. Mai abgeschossen. 2. Wo wurde er geschossen? Er wurde auf Mykines Holm abgeschossen, wo er bei den Tölpeln gesessen hat. 3. War er männlich oder weiblich? Weiblich 4. Im zweiten Falle, hatte er gut entwickelte Eierstöcke? Beim Öffnen des Vogels sah ich voll entwickelte Eierstöcke 5. Waren es viele oder wenige, die den Vogel über 30 Jahre lang gesehen haben? Es waren viele, die den Vogel über 34 Jahre gesehen haben. 6. Ist der Vogel immer auf oder um Mykines gewesen oder ist er nah und fern auch um die Inseln gezogen? Soweit es bekannt ist, ist der Albatross nur in der Nähe von Mykines Holm gewesen. 7. Lebte der Albatross ganzjährig auf Mykines oder war es so, das er zu einigen Jahreszeiten abwesend war und regelmäßig zurückkehrte? Er lebte nur vom Frühjahr bis zum Herbst auf Mykines und kam und verließ die Insel regelmäßig zusammen mit den Tölpeln. 8. Ist es sicher, das es nur diesen einen Albatross gegeben hat? Es wird grundsätzlich angenommen, das es nur diesen einen gegeben hat, da immer nur einer zur gleichen Zeit gesehen worden ist. 9. Bei Bestätigung und für den Fall, das der Vogel weiblich war: Ist bekannt, ob er genistet hat oder Eier gelegt hat? Nein, niemand hat je gesehen, das der Albatross ein Nest gebaut oder Eier gelegt hat. Aber das kann niemand mit Sicherheit sagen, da er zwar unter den Tölpeln lebte, das Beisammensein aber in der Zeitspanne, in der die Tölpel ihre Eier legten bis dann die Jungen flügge waren nicht so ausgeprägt war. |
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10. Ist bekannt, wovon der Vogel lebte? Nein, daß weiß niemand. 11. Gehörte es zu seinen Angewohnheiten Booten oder Schiffen zu folgen? Er zeigte keine Neigung Booten zu folgen, bei Schiffen ist das nicht bekannt. 12. War der Albatross immer still oder hat jemand mal seinen Schrei gehört? Und für diesen Fall: Ist es möglich, den Laut in Worte zu fassen oder ihn mit etwas zu vergleichen, um darzustellen wie es geklungen hat? Er war gewöhnlich still und niemand hat seinen Schrei gehört. 13. War es so, das er sowohl unter den Tölpeln lebte, als auch zusammen mit ihnen fliegend gesehen worden ist, oder suchte der Albatross auch die Gesellschaft zu anderen Vögeln. Wenn ja, zu welchen? Er lebte und flog zusammen mit den Tölpeln. 14. Wurde er jemals schwimmend gesehen? Nein 15. Hat es vormals Versuche gegeben, den Albatross abzuschießen? Nein 16. War er sehr scheu oder war es möglich, nahe an ihn heran zu kommen? Er war genauso scheu wie die Tölpel 17. War es die ganzen Jahre bekannt, das es ein Albatross gewesen ist, oder wurde das erst später entdeckt? Es war nicht bekannt, das es ein Albatross war. Das hat sich erst nach dem Abschuß herausgestellt. 18. Gibt es irgend jemand, der sich mit Sicherheit daran erinnern kann, wann der Albatross erstmals auf den Färöern gesehen worden ist? Oder warum wird sonst gesagt, das es ca. 30 Jahre her ist, nicht mehr und nicht weniger? Es kann mit Sicherheit gesagt werden, das er zum ersten Mal im April oder Mai 1860 auf Mykines Holm gesehen worden ist. Damit ist es im Jahr 1894 dann 34 Jahre her, dass er das erste Mal gesehen worden ist. |
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19. Ist bekannt, ob sich das Gefieder des Albatross in dieser langen Zeitspänne verändert hat? Oder hatte es vor vielen Jahren einen dunkleren Farbton? Das Gefieder hatte in der ganzen Zeit den gleichen Farbton. 20. Gibt es noch mehr über den Vogel zu berichten, das bislang nicht erfragt worden ist? Die letzte Frage wurde nicht beantwortet-- Herr Petersen sandte mir auch den folgenden Brief, den er von Herrn Joensen neben der Beantwortung der Fragen bekommen hatte: Mykines, den 13. Oktober 1894 Mit dem Eintreffen der Fragen zu dem Albatross auf Mykines schreibe ich nun diese Zeilen. Da wir nicht zu Hause waren, sind die Antworten zu den Fragen hier auf Mykines zurückgeblieben, als das Schiff abfuhr.... Ich sende Ihnen hiermit die beantworteten Fragen; sehen sie selbst, was ich geschrieben habe. Ein weiterer Brief mit ähnlichen Fragen zu dem Albatross ist eingetroffen, wenn er auch nicht für mich * bestimmt war. Die Fragen enthielten zum Teil die Namen der Personen, die den Albatross in den vielen Jahren gesehen haben und auch den Namen der Person, die den Vogel abgeschossen hat. Den Vogel hat Herr Johannes Frederik geschossen und gesehen wurde er von Samuel Joensen, Jacob Jensen, Jacob Jacobsen, Hejne Joergensen, Joen Joensen junior, Joen Abrahamsen, Poul Abrahamsen, Jacob Isaksen, Daniel Joensen. Diese und vielleicht weitere Personen haben den Vogel in den nachfolgenden 34 Jahren gesehen. --------------------------------------- * Der hier erwähnte Brief wurde von Vizekonsul Bergh in Thorshavn an Pastor Johansen auf Vaagö und von ihm dann nach Mykines gesandt, Seiten 247-248 |
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Ich kann Ihnen weiter mitteilen, dass im September 1891 ein merkwürdiger junger Tölpel gefangen wurde. Er hatte eine hellere Färbung, als junge Tölpel normalerweise haben und einen Schnabel, fast wie ein Albatross; die Flügel waren wie bei einem Tölpel. Jeder wunderte sich über das Aussehen, aber bis zu seinem Abschuß wußte niemand, dass es ein Albatross war. Die Alten nannten ihn den „König der Tölpel". Samuel Johannes Joensen. Diese beiden Schreiben enthalten alle wichtigen Informationen. Ich habe nicht gezögert, den Brief und die Antworten von Herrn Joensen hier wiederzugeben. Sowohl die Form als auch der Inhalt zeigen, wie informiert er gewesen ist und wie exakt und gewissenhaft er auf die gestellten Fragen geantwortet hat was er darüber weiß -- und nicht mehr.... Lange bevor ich die oben erwähnten Schreiben erhielt, unterstützte mich der britische Vizekonsul in Thorshavn, Herr L. Bergh, durch seine Mithilfe, werthaltige Informationen zusammenzutragen. Im folgenden Brief schilderte mir Herr Bergh das Ergebnis seiner Aktivitäten: Thorshavn, 22. Oktober 1894 Ihren Brief vom 18. des Vormonats habe ich erhalten und es ist mir eine Freude, Ihnen heute die Informationen mitzuteilen, die ich bislang zusammentragen konnte. Ich hatte großes Glück, einen sehr verantwortungsvollen Mann namens Jacob Isaksen, den 50 Jahre alten Königsbauern von Mykines zu treffen. Er sagte mir, dass er sicher sei, dass der Albatross mindestens 30 Jahre auf Mykines gewesen ist, da er selbst kurz vor seinem 20. Lebensjahr war, als er den Albatross sah und die Leute darüber sprechen hörte. Und seitdem hat er ihn in jedem Jahr gesehen. Er flog regelmäßig mit den Tölpeln im Herbst weg und kam im Frühling mit ihnen zusammen zurück. Es wurde niemals ein anderer als dieser eine Vogel gesehen. Er baute nie ein Nest und legte auch nie Eier. |
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Er war zwar am Vogelberg unter den Tölpeln, aber diese wichen zur Seite wenn er näher kam, was mit der Erklärung übereinstimmt, das er von den Tölpeln nur geduldet wurde, es aber kein freundschaftliches Verhältnis gab. Es wurde nie beobachtet, daß der Vogel über die Insel flog, dagegen wurde er oft über dem Meer gesehen, dabei aber nie tauchend. Auf den Vogel ist nicht geschossen worden, es ist aber versucht worden, ihn lebend zu fangen, was aber keinen Erfolg hatte. Denn wenn die Fänger nachts auf den Klippen waren, war der Albatross wach. Und scheu; sobald man sich näherte flog er weg, während man die Tölpel, die schliefen von den Nestern einsammeln konnte. Der junge Mann Hans Pauli Hansen aus Sorvagur auf Vagar, der nun auf Mykines verheiratet ist, sah ihn in diesem Sommer auf einem Felsen sitzen und zielte auf ihn ohne die Absicht ihn abzuschießen und obwohl es eine große Entfernung war, traf er ihn und er fiel tot herunter. Bis auf diese Begebenheit wußte er aber nichts über die Gewohnheiten des Vogels. Es steht außer Zweifel, das der Vogel mindestens 30 Jahre auf Mykines verbracht hat. Ich kann mich klar daran erinnern, daß ich, kurz nachdem ich vor mehr als 27 Jahren meinen Dienst als Lehrer an der Realschule in Thorshavn antrat, vom „König der Tölpel" gehört hatte. Das war der Name der üblicherweise benutzt wurde. Da die Einwohner von Mykines selten nach Thorshavn kommen, insbesondere im Winter nicht, habe ich in der Absicht mehr Informationen zusammenzutragen, einen Brief an den Pastor der Kirchengemeinde auf Vagar geschrieben. Bedauerlicherweise wird er nicht vor dem nächsten Sommer wieder nach Mykines kommen. Aber freundlicherweise hat er Ihre Fragen an einen sehr zuverlässigen Mann auf der Insel weitergeleitet. Wann ich seine Antworten bekomme, ist ungewiß. Ich sende Ihnen hiermit die obigen Informationen und werde, sobald ich neue Informationen habe, wieder an Sie schreiben. Louis Bergh. |
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Diese Darstellung weicht nur in einem kleinen Punkt von der Schilderung von Herrn Joensen ab: der Name der Person, die den Vogel abgeschossen hat ist unterschiedlich. -- Aber selbst dieser kleine Widerspruch wurde aufgelöst bevor ich ihn entdeckt hatte. Bereits im Dezember erhielt ich eine von Pfarrer Johansen, Vagar, eingeholte Information über Vizekonsul Bergh. Sie stammte von einem Mann von Mykines, Herrn Joen Abrahamsen, einem der Männer, die den Albatross über viele Jahre gesehen haben und lautete im wesentlichen: 1. Es gilt als gesichert, das der Albatross das erste Mal im Jahr 1860 von etwa 12-14 Männern gesehen wurde, die im Frühjahr nach den Tölpeln auf Mykines Holm gesucht haben. Er ist danach regelmäßig jedes Jahr von mehreren Personen gesehen worden, insbesondere von den Männern, die die Tölpel auf dem Holm jagden. Das die Jahresangabe 1860 verläßlich ist, kann an der Tatsache festgemacht werden, daß die Tölpeljagd, an der der Königsbauer Jacob Joensen teilnahm und wo er den Vogel erstmals sah, im Jahr nach seiner Konfirmation gewesen ist. 2. In der ganzen Zeitspanne wurde niemals versucht, den Vogel mit dem Gewehr zu jagen. Beim nächtlichen Tölpelfang waren die Versuche, ihn zu fangen stets erfolglos geblieben. Einmal wäre es morgens fast gelungen, ihn mit bloßer Hand zwischen den Tölpeln zu fangen. Ebenso ist es hin und wieder versucht worden, den Vogel mit der „Flejestang" zu fangen. Der Hauptgrund aber, warum es nicht öfter versucht wurde war, dass der Albatross ständig unter den Tölpeln war und diese wie man weiß vom Jungvogel zum alten Vogel ständig die Farbe des Gefieders ändern und er den Tölpeln sehr ähnlich sah, obwohl er andere Flügel und einen anderen Schnabel hatte. Aufgrund dessen wurde von den meisten Leuten angenommen, das er ein seltsamer Tölpel sei, da sie noch nie von einem Albatross gehört hatten. 3. (Die Darstellung über den Fortzug im Frühjahr und Herbst wird wiederholt 4. Ein und nur ein Albatross sind gesehen worden) |
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5. Ob er ein Nest gebaut und Eier gelegt hat oder nicht, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es wird nicht vermutet, daß er das je getan hat, da niemand es gesehen hat; allerdings ist auch nie jemand in der Zeitspanne zwischen dem Legen der Eier und dem flügge werden der Jungen bei den Tölpeln gewesen. 6. Der Vogel ist von vielen gesehen worden, unter ihnen Jacob Jensen (Königsbauer), Odelsmand Jacob Jacobsen sen., Joen Joensen, Joen Abrahamsen, Jacob Isaksen, Samuel J. Joensen. Er wurde von Johannes Frederik Joensen abgeschossen. Dieser Name ist mit Sicherheit der richtige; Vizekonsul Bergh hat dies später bestätigt. Alle Männer kommen von Mykines. 7. Über die Lebensweise, insbesondere die Ernährung ist nichts bekannt, außer dass er sich immer in der Nähe von Mykines Holm aufgehalten hat. In den ersten Jahren war es hauptsächlich der nördliche Bereich, wo sich die meisten Tölpel aufhalten, später dann im westlichen Bereich vom Holm, wo weitere Tölpel leben. Hier war es auch, wo er von einem Boot unterhalb des Vogelberges abgeschossen wurde und damit sein Ende fand. |